Der Gunung Rinjani auf Lombok mag ja auf eingefleischte Bergsteiger keinen magischen Reiz ausüben. Mit 3729 Metern Höhe zählt er zu den Gipfeln, für die es sich lohnt, in das "kleine schwarze Büchlein" eine weitere Gipfeleroberung einzutragen. Es fehlt ihm auch an besonderen Schwierigkeitsgraden, die zu bewältigen wären. Ist der Gunung Agung auf Lombok etwa ein Berg für jedermann? Nein, ganz und gar nicht! Dafür ist er zu unbekannt. Dennoch wird er selbst von erfahrenen Gipfelstürmern ein ganz besonderes Naturerlebnis bieten.
Jedes Jahr erwandern mehrere hundert Naturbegeisterte aus aller Welt den Rinjani und erleben auf der nur zweitägigen Partie die Vielfalt der Natur vom tropischen Regenwald bis zum Kraterrand jenseits der Baumgrenze auf ca. 2600 Metern. Aber nur eine handvoll Bergsteiger wagen den Aufstieg zum Gipfel auf 3729 Meter. Mindestens 6 Tage sollten für dieses Vorhaben veranschlagt werden. Wir haben uns für den sechstägigen Aufsteig entschieden. Wir, das sind fünf naturbegeisterte Freunde aus verschiedenen Teilen Deutschlands. Also fünf mittelmäßig sportliche Freunde, die sich der Herausforderung stellen wollten.
Tag 1
Unser indonesischer Führer, wir nennen ihn Jan, organisiert die Tour. Die komplette Ausrüstung und Verpflegung wird von Bidi Tours auf Lombok gestellt.
Im Dorf Senaru, direkt am Fuße des Rinjani, verpflichtet Jan Träger für die Ausrüstung.
Unsere letzte Nacht in Senaru auf pritschenähnlichen Betten, in einem -wir nennen es- 1000 Sterne Hotel, ist bereits um 5 Uhr früh zu Ende.
Tag 2
In dem Bewußtsein, die nächsten fünf Nächte auf Isomatten schlafen zu müssen, starten wir am frühen Morgen Richtung Kraterrand. Bereits in der ersten Stunde wird uns bewußt - das wird kein Strandspaziergang!
Auf was haben wir uns hier bloß eingelassen ?
Es geht immer bergauf, und keinen Zentimeter bergab. Die Rucksäcke, die Bergstiefel, die tropisch feuchte Hitze - alles ist ungewohnt. Jeder versucht, irgendwie seinen Rhythmus zu finden. Unser Führer und die Träger, übrigens barfuß, legen ein mörderisches Tempo vor.
Nein, wir wollen nicht aufgeben! Noch nicht! Stunde um Stunde "hangeln" wir uns von Pause zu Pause. Neugierig verfolgen uns Horden von Affen, und es schien, als wollten sie uns verspotten. Es wird allmählich kühler, und es ist, als ob unsere Kondition wächst.
Nebel kommt auf, nein, wir durchsteigen gerade eine Wolke. Meterlange Bartflechten hängen von den Bäumen und erzeugen in den Wolkenschwaden eine gespenstische Stimmung.
Es ist später Nachmittag, als wir einen hölzernen Unterstand erreichen, der mehr an einen Carport als an eine Hütte erinnert. wir haben Camp III erreicht - das Ziel unserer ersten Etappe. Unsere Träger errichten die Zelte und zaubern ein schmackhaftes Abendessen herbei.
Tag 3
In der ersten Nacht haben wir, trotz der Strapazen des Vortages, kaum geschlafen. Als erst in den Morgenstunden unsere Augen vor Müdigkeit zufallen, werden wir auch schon recht unsanft von klapperndem Kochgeschirr geweckt. "Selamant Pagi" - "Guten Morgen" - weckt uns Jan, unser Guide. Oh, wie kann gute Laune ätzend sein! Aber es hilft nichts: Wir müssen weiter!
Die letzten 1½ Stunden bis zum Kraterrand sind felsig und sandig, bereits jenseits der Baumgrenze. Dann endlich der Blick in den Krater auf den türkis schimmernden Kratersee, und auf der gegenüberliegenden Seite den wolkenumsäumten Gipfel des Gunung Rinjani! Keiner spricht ein Wort - nur vereinzelt ist ein Ah und Oh zu hören. Körperlich erschöpft, aber um so mehr sind unsere Sinne geschärft, genießen wir den überwältigenden Ausblick.
Schon wieder ist es Jan, der drängelt, weiterzugehen. Noch heute müssen wir den Kratersee erreichen, und der scheint unendlich tief unter uns zu liegen. Alles was wir sehen können, sind ca. 600 Meter senkrecht abfallende Kraterwände.
Wie zum T.... sollen wir denn da absteigen?
Jan führt uns zu einem versteckten Pfad. Zwischen zwei Felsen rutschen wir durch einen kleinen Korridor vorsichtig auf einen weiteren Felsvorsprung. Jetzt wird - Gottseidank! - ein sehr schmaler Pfad entlang der senkrechten Kraterwände sichtbar. Erleichtert registrieren wir, dass wohl ein möglicher Weg nach unten existiert. Der Weg ist nicht mehr als ein provisorischer Klettersteig. Einige Abschnitte sind recht einfach und zügig begehbar, viele Passagen können wir jedoch nur mit großer Vorsicht bewältigen. Die wären bei Regen oder Nässe zum Teil unpassierbar.
Am frühen Nachmittag erreichen wir den Kratersee, und wieder errichten unsere Träger, diesmal beinahe romantsich gelegen direkt am Seeufer zwischen Bäumen, unser Biwak. Einer unserer Träger steckt eine Angelrute zusammen, klebt einen Klumpen gekochten Reis an den Angelhaken und wirft diesen in den See. Sofort kommt Bewegung ins Wasser, und ein Schwarm Fische versucht den Köder zu schnappen. Ein kurzer Ruck - und schon hängt ein 3-Pfünder am Haken. Unglaublich!! Fische im Überfluß!! Nun will es jeder von uns einmal versuchen.
Wir haben Erfolg - jeder Angelversuch ein Fisch! Genug, genug, genug - bremst uns Jan, das reicht für's Abendessen. Jetzt fehlt uns zu unserem Glück nur noch ein warmes Bad. Ja, auch hiermit kann unser Jan dienen. Nur ca. 10 Minuten vom Biwakplatz entfernt befindet sich eine heiße Schwefelquelle, und beim Anblick mehrerer mit unterschiedlich heißem Wasser gefüllten Felsbecken muß uns niemand mehr extra auffordern, unseren Muskelkater zu pflegen. Jan lächelt - und so wie er das tut, hat er noch was parat. Und richtig: Auf dem Rückweg zum Biwak führt er uns zu einer Frischwasserquelle, die direkt aus dem Berg entspringt. Es ist wie in einem Märchen. Die Natur hat an alles gedacht. Essen, Trinken, Schlafen, Baden - hier lässt es sich aushalten, das ist ein Berg zum Verweilen!
Tag 4
Am nächsten Morgen kann uns kein klapperndes Kochgeschirr wecken. Zu tief und zu fest holen wir den wohlverdienten Schlaf nach. Der heutige Tag steht unter dem Motto "Körperpflege und Faulenzen, Umgebung erkunden" - und natürlich auch 3-Pfünder angeln und lecker zubereiten.
Es fehlt an nichts, aber trotzdem wächst undere innere Unruhe. Wir richten unsere Blicke immer öfter 'gen Gipfel und tasten mit den Augen einen möglichen Weg ab, der begehbar wäre.
Dann steht es fest: Heute Nacht brechen wir auf! Vom Kratersee hinauf auf 3729 Meter, und am selben Tag zurück zum Biwak.
Tag 5
Um diese Strecke zu schaffen beginnen wir bereits kurz nach Mitternacht mit dem Aufstieg. Im Licht unserer Stirnlampen ist nur schemenhaft ein schmaler Pfad zu erkennen. Jetzt ist jeder auf sich gestellt. Nur an besonders kritischen Stellen bewältigen wir im gebündelten Licht aller Lampen einige Passagen. Zeitgefühl? Fehlanzeige!
Angezogen vom Keuchen des Vordermannes, tasten kleine Lichtkegel den schmalen Pfad ab. Irgendwann nach Stunden verfärbt sich plötzlich der Horizont. Erst glutrot, und dann bricht innerhalb weniger Minuten der Tag über uns herein.
Bis hinüber zur Nachbarinsel Bali reicht unser Blick, wo mächtig der heilige Berg Gunung Agung direkt aus dem Meer zu ragen scheint. Ein Blick in die andere Richtung, 'gen Gipfel ist ernüchternd. Da liegt noch ein ganz gewaltiges Stück vor uns! Immer wieder motivieren wir uns gegenseitig, den "inneren Schweinehund" zu überwinden. Unsere Schritte werden immer kürzer, die Abstände zwischen den Pausen auch. Die dünne Luft fordert uns fünf "Hobbybergsteiger" doch sehr. Doch jetzt scheint der Gipfel zum Greifen nah, und ans Aufgeben denkt keiner mehr.
Die letzten 400 Meter fordern uns einen regelrechten Endspurt. In der feinkörnigen, losen Lavaasche rutschen wir alle drei Schritte wieder einen Schritt zurück - also: Stehenbleiben bedeutet Abwärtsgleiten! Mächtig keuchend überwinden wir auf dieser "Folterstrecke" hundert innere Schweinehunde. Dann haben wir es endlich geschafft!
3729 Meter liegen unter uns!
Ein grandioser Blick, durch die glasklare Luft nahezu unendlich weit. Zu unseren Füßen der Kratersee mit seinem geheimnsivoll grün leuchtenden Wasser. Alles umsäumt von kleinen weißen Wolken. Der gegenüberliegende Gunung Agung auf Bali erscheint uns auf einmal winzig klein. Unter der inzwischen mächtig brennenden Sonne zeigt unser Thermometer immerhin noch + 4 Grad an. Leider zu kalt für einen längeren Aufenthalt. Dennoch genießen wir den Gipfel ausgiebig, und der hat unsere Erwartungen um Längen übertroffen.
Der Abstieg ist ein reiner Genuß. Die "Folterstrecke" überwinden wir jetzt mit riesigen, ausladenden Sprüngen. Nach jedem Sprung landen wir in der weichen Lavaasche, um dann ganz weich noch einige Meter abwärts zu gleiten. Immer wieder unterbrechen wir den zügigen Abstieg - diesmal aber nur, um Fotos von den überwältigenden Formationen zu machen.
Am späten Nachmittag erreichen wir den Biwak am See. Die zurückgebliebenen Träger empfangen uns mit riesigem Applaus. Ja, wir sind alle mächtig stolz, zu den wenigen Abenteurern zu gehören, die es bis "ganz oben", geschafft haben. Wir dezimieren den Karpfenbestand weiter kräftig, denn Siegertypen haben einen Bärenhunger! In den heißen Schwefelquellen sorgen wir ausgiebig dafür, daß von unserem Ausflug kein Muskelkater zurückbleibt. Obwohl erschöpft, sitzen wir noch lange am Lagerfeuer und lauschen dem Gesang unserer indonesischen Träger, der durch die Stille der Nacht zu uns "herüberweht".
Tag 6
Ein Spaziergang trennt uns von unserem Basislager in Senaru. Wir kennen die versteckten Wege im Fels, die hinauf zum Kraterrand führen. Mit Riesenschritten durchschreiten wir die Wolkenfelder bis hinunter in den tropischen Regenwald. Die Affen, die uns noch vor Tagen verspotteten, sind jetzt kleinlaut geworden und schauen respektvoll zu uns herüber. Es geht vorbei an unserem 1000-Sterne Hotel. Noch einmal schauen wir sehnsüchtig zu "unserem" Gipfel hinüber und schwören: "Auf Wiedersehen!!""
Der Rinjani ist für jeden Naturfreund, der bereit ist, einige Schweißtropfen zu vergießen, ein absoluter Geheimtipp. Die Tour sollte jedoch nur in der Zeit von Mai bis Oktober geplant werden.
In der Regenzeit ist die Besteigung zu gefährlich. Grundsätzlich sollte ein örtlicher Führer die Leitung organisieren. Wir haben mit Bidi Tours auf Lombok beste Erfahrungen genacht. Bidi Tours verfügt über sehr gute Bergführer und stellt eine komplette Ausrüstung für die Besteigung.
Unsere eigene Ausrüstung bestand aus: Tagesrucksack, Stirnlampe, Feldflasche, Bergschuhe, je zwei teleskopierbare Wanderstöcke und - ganz wichtig! - ein guter Sonnenschutz.
Lombok ist entweder per Fähre von Bali oder per Direktflug mit Garuda Indonesia ab Jakarta oder Jogkarta zu erreichen.
Ein anschließender Aufenthalt auf der Nachbarinsel Bali bietet alles, um diesen Urlaub richtig abzurunden.